Ein Plädoyer für mehr Ehrlichkeit im Leben – und im Recruiting.
„Wir gestalten die Zukunft“ oder „Menschen stehen bei uns im Mittelpunkt“ – ist das jetzt das Motto eines Parteitags, das Mission Statement einer NGO oder das Leitbild einer Firma, die Gabelstapler verkaufen will?
Wer sich heute durch Unternehmens- und Karriereseiten liest, könnte meinen, alle seien Gamechanger mit Weltrettungsauftrag. Begriffe wie Purpose, Innovation, Zukunft, Verantwortung, Team und Vielfalt finden sich überall, die Botschaften ähneln sich zum Verwechseln – ein wohlmeinender, politisch korrekter, aber folglich auch generischer Einheitsbrei ersetzt Individualität.
Die Absicht dahinter ist meist eine gute, auch wenn der Zyniker in mir weiß, dass Purpose inzwischen zu einer knallharten Währung in Selbstdarstellung und Marketing geworden ist.

Inhalt
Wenn aus Stellenanzeigen Performance-Kunst wird
Seien wir mal ganz ehrlich: Wer weiß schon, was ein „Brand Evangelist“ oder ein „Growth Hacker“ im Arbeitsalltag machen soll? Das Problem ist nicht, dass neue Begriffe entstehen, sondern dass Jobbezeichnungen eher der Eitelkeit als der Klarheit dienen. Natürlich klingt „Rockstar·in“ cool – ist aber kein gängiger Suchbegriff für Stellenanzeigen.
Es geht darum, in einem herausfordernden Arbeitsmarkt echte Menschen für echte Jobs in echten Unternehmen zu gewinnen: Talente, die sich Fakten und Substanz wünschen. Oder zumindest eine klare Vorstellung davon, was eine Jobrolle beinhaltet.
Wir bei XING haben uns auf die Fahne geschrieben, uns bei allem genau auf diese Substanz zu fokussieren. Warum gerade jetzt? Weil der Arbeitsmarkt sich radikal gewandelt hat. Und damit auch der Anspruch, den Jobsuchende und rekrutierende Firmen an uns als Jobs-Netzwerk haben. Sind wir schon perfekt? Mit Sicherheit nicht. Aber mehr Sein als Schein ist unsere Maxime.
Fake it tilt you make it
Zum sprachlichen Sprühnebel gehören auch Formulierungen wie „Wir sind wie eine Familie“ oder „Du kannst bei uns die Welt verändern.“ Klingt erst mal super. Im Klartext heißt das oft: Bitte mach Überstunden ohne Ausgleich, und bezahlen können wir dir leider auch nicht viel. Papier ist geduldig – Websites auch. Glaubwürdigkeit entsteht nicht durch Mission Statements, sondern durch Transparenz.
Leitfaden
Next Level Stellenanzeigen
In diesem Leitfaden erwartet Sie:
Tipps für den optimalen Stellenanzeigen-Aufbau
Erfolg durch innovative Funktionen
künstliche Intelligenz für jeden Prozessschritt
& mehr!

Und durch die Bereitschaft, auch mal das zu zeigen, was nicht perfekt ist. Ich würde es feiern, wenn mal irgendwo stehen würde: „Wir sind Menschen. Wir machen Fehler. Aber wir tun unser Bestes, gemeinsam mit euch daraus zu lernen.“
Feedback: weichgespült und wirkungslos
Und wo wir gerade bei Fehlerkultur sind: Ehrliches, hilfreiches Feedback ist heute Mangelware. Entweder, weil man es gar nicht bekommt – oder weil es in Watte gepackt ist. „Sie haben uns in einem sehr starken Bewerberfeld zwar überzeugt, aber leider …“ – nur Ghosten ist inhaltsleerer.
Vortrag auf der Zukunft Personal Europe in Köln
Kacper Potega spricht am 10. September 2025 bei der Zukunft Personal Europe um 13:30 bis 14 Uhr auf der Recruiting & Attraction Stage 2 in Halle 4.1 und freut sich, wenn Sie vorbeischauen, um ins Gespräch zu kommen.
Gern auch an unseren XING Stand A01 in Halle 4.1
Jetzt Gratis-Ticket für die ZPE sichern
Auch intern ist es häufig bequemer, zu loben, statt zu spiegeln. Kritik wird zur „Entwicklungschance“, ein Nein zur „anderen Passung“. Und irgendwann wundert man sich, warum Erwartungen und Realität so oft kollidieren und niemand mehr aus Feedback lernt. Das heißt nicht, dass ich mir die Rückkehr cholerischer und herumbrüllender Chefs wünsche. Aber von ein bisschen weniger Kuschelkurs und mehr Klarheit an der einen oder anderen Stelle profitieren alle Seiten, denn aus konstruktiver – nicht böswilliger! – Kritik kann man eine Menge für den Job und das Leben mitnehmen.
Auf Verwirrung folgt Frust
Die Folgen der allgemeinen Verunsicherung sind nicht nur abseh-, sondern sogar messbar. Laut der XING Wechselbereitschaftsstudie, die wir jedes Jahr gemeinsam mit forsa durchführen, halten 36 Prozent der Arbeitnehmenden in Deutschland Ausschau nach einem neuen Job.

Denn wenn Realität und blumige Versprechen nicht zusammenpassen, folgt Frust. Im schlimmsten Fall wird daraus Zynismus: Wer zu oft auf Karriereseiten nur Feelgood-Kultur serviert bekommt, glaubt irgendwann gar nichts mehr. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Am Ende zählt das Ergebnis: nämlich die Menschen zu gewinnen, die man als Unternehmen braucht. Die nicht nur wissen, was sie wollen, sondern auch, was sie erwartet.
Wie machen wir Recruiting wieder glaubwürdig?
Indem wir uns davon verabschieden, alles hyperkorrekt machen zu wollen. Wie wäre es mal ohne Filter, ohne Floskeln, ohne Schaumschlägerei? Und auf die Gefahr hin, jetzt auch eine Floskel zu nutzen: Es geht um Authentizität. Relevante Informationen. Offene Kommunikation. Echtes Feedback, auch wenn es manchmal unangenehm ist. Mit anderen Worten: no bullshit. Das mag erst mal gewöhnungsbedürftig sein.
Es geht aber auch um Mehrwert – für Jobsuchende und Unternehmen. Gerade in Zeiten knapper Ressourcen, unterbesetzten Personalabteilungen und eines Arbeitsmarktes, der schizophrenerweise zwischen Fachkräftemangel und steigenden Arbeitslosenzahlen changiert, müssen und wollen Firmen die richtigen Leute finden und einstellen. Unsere Richtschnur: Performance zeigen und abliefern.
„No bullshit“ ist für uns nicht der neueste Trend, sondern eine Haltung. Es geht um den Mut, auch mal nicht perfekt zu wirken – sondern einfach glaubwürdig und menschlich. Die vielleicht ehrlichste (wenn auch mit hoher Wahrscheinlichkeit fiktive) Stellenanzeige aller Zeiten wird dem Polarforscher Ernest Shackleton zugeschrieben:
„Men wanted for hazardous journey. Small wages, bitter cold, long months of complete darkness, constant danger, safe return doubtful. Honor and recognition in case of success.”
Wie cool, wenn es tatsächlich immer so wäre.
Magazin
HIRE – das Recruiting-Magazin von XING
Inspiration, Insights & richtig gute Leute – für Recruiter·innen, die Recruiting neu denken:
10 Stellenanzeigen-Gebote
Active-Sourcing-Fails
Interviews mit Gazelle Vollhase, Rick Zabel, Michael Benz
HR-Kummerkasten, Recruiting-Rätsel, u.v.m.
