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Arbeitszeugnis richtig lesen: 5 Profi‑Tipps für HR und Recruiting

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Ein perfektes Bewerbungsgespräch kann trügen: Das Arbeitszeugnis ist oft die ehrliche(re) – aber nicht immer offensichtliche – Geschichte hinter dem Lebenslauf. In Deutschland sind die meisten Zeugnisse wohlwollend formuliert, doch hinter manchen Floskeln steckt ein Geheimcode, den Personalverantwortliche kennen sollten.

Wer solche versteckten Hinweise versteht, kann bessere Entscheidungen treffen und teure Fehlbesetzungen vermeiden. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie ein Arbeitszeugnis richtig lesen und deuten – praxisnah, einfach nachvollziehbar und sofort anwendbar in Ihrem Recruiting‑Alltag.

Was ein qualifiziertes Arbeitszeugnis leistet

Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis beschreibt nicht nur Dauer und Art der Beschäftigung, sondern bewertet auch die fachlichen Leistungen und das Sozialverhalten der Mitarbeitenden.

Es muss „wohlwollend“ formuliert sein (§ 109 GewO) – deshalb erfolgt Kritik oft indirekt über bestimmte Wortwahl und Satzbau. Diese indirekte Sprache macht eine Arbeitszeugnis‑Bewertung knifflig. Wer hier fit ist, erkennt Muster und kann Aussagen richtig einordnen.

Typische Herausforderungen beim Lesen von Arbeitszeugnissen

Viele Unternehmen arbeiten mit standardisierten Textbausteinen. Das erleichtert die Erstellung, kann aber feine Unterschiede in der Leistungsbewertung verdecken. Hinzu kommt, dass Arbeitszeugnisse in Zeiten des Fachkräftemangels häufig besonders positiv ausfallen, um das eigene Arbeitgeberimage zu wahren, rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und einen positiven Eindruck im Branchenumfeld zu hinterlassen. Dadurch steigt jedoch das Risiko, dass mögliche Schwächen im Profil unbemerkt bleiben.

Zusätzlich führen befristete Beschäftigungen, projektbasierte Einsätze oder Remote-Arbeit oft zu kürzeren und weniger detaillierten Zeugnissen. In solchen Fällen lohnt es sich, im Gespräch gezielt nach Hintergründen zu fragen, um ein vollständiges Bild zu gewinnen.

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Arbeitszeugnis richtig lesen – so geht’s!

1. Struktur prüfen – ist alles drin?

Ein vollständiges Zeugnis besteht normalerweise aus Einleitung, Tätigkeitsbeschreibung, Leistungsbeurteilung, Aussagen zum Sozialverhalten und einer Schlussformel.

Fehlt einer dieser Bestandteile, sollten Sie hellhörig werden. Zum Beispiel kann ein fehlender Passus zum Sozialverhalten bedeuten, dass es dort Probleme gab. Halten Sie im Gespräch gezielt nach.

2. Codes und Formulierungen entschlüsseln

Die berühmten Arbeitszeugnis‑Formulierungen folgen oft dem „Notensystem“:

„Stets zur vollsten Zufriedenheit“ entspricht sehr gut, „stets zur vollen Zufriedenheit“ steht für gut, „hat sich bemüht“ ist mangelhaft. Hier finden Sie weitere Beispiele für Geheimcodes in Arbeitszeugnissen.

Wer diese Abstufungen kennt, übersetzt schnell zwischen freundlicher Formulierung und tatsächlicher Bewertung. Nutzen Sie aktuelle Listen mit gängigen Codes als Spickzettel.

3. Sozialverhalten im Detail bewerten

Im qualifizierten Arbeitszeugnis wird das Sozialverhalten meist in der Reihenfolge Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kolleg·innen und Kund·innen beschrieben. Abweichungen oder fehlende Bereiche können auf besondere Schwerpunkte oder Probleme hinweisen.

Prüfen Sie solche Formulierungen immer im Zusammenhang mit den Aufgaben: Bei einer Vertriebsposition sollte der Kund·innenumgang klar und positiv erwähnt sein – fehlt er, lohnt sich gezieltes Nachfragen.

4. Schlussformel genau lesen

Eine „runde“ Schlussformel enthält drei Elemente: Dank, Bedauern über das Ausscheiden und gute Wünsche für die Zukunft. Fehlt einer dieser Teile, war das Arbeitsverhältnis womöglich nicht optimal. Formulierungen wie „Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute“ ohne Dank können ein deutliches Warnsignal sein. Ähnlich auffällig ist ein Satz wie „Wir nehmen sein Ausscheiden zur Kenntnis“ – er klingt neutral, verrät aber, dass das Unternehmen weder bedauert noch besonders dankbar für die Zusammenarbeit war.

5. Abgleich mit dem Lebenslauf

Überprüfen Sie, ob die im Zeugnis beschriebenen Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Projekte zu den Angaben im Lebenslauf passen. Fehlen wichtige Tätigkeiten, besondere Erfolge oder Kernprojekte, sollten Sie im Gespräch gezielt nachfragen – manchmal sind Auslassungen im Zeugnis aussagekräftiger als das, was darin steht.

Ein Beispiel aus der Praxis

Ein Bewerber machte im persönlichen Gespräch einen souveränen, offenen Eindruck. In seinem Zeugnis stand jedoch: „Er zeigte Interesse an neuen Aufgaben.“

Klingt positiv – in der Zeugnissprache fehlt jedoch die Bestätigung, dass er diese Aufgaben erfolgreich erledigte. Das Recruiting‑Team prüfte weitere Referenzen und entdeckte, dass dem Bewerber tatsächlich Umsetzungsstärke fehlte.

Das Beispiel zeigt: Kleinigkeiten im Arbeitszeugnis können entscheidende Hinweise geben.

Fazit: Das Arbeitszeugnis lesen lohnt sich!

Ein Arbeitszeugnis richtig zu lesen erfordert mehr als nur das Verständnis der offensichtlichen Formulierungen – es ist eine Mischung aus Sprachgefühl, Erfahrung und kritischem Hinterfragen. Wer die typischen Codes kennt, auf subtile Auslassungen achtet und Inhalte strukturiert analysiert, kann versteckte Hinweise auf Leistungsfähigkeit, Sozialverhalten und mögliche Probleme erkennen. Ergänzend dazu liefert der Abgleich mit dem Lebenslauf wichtige Kontextinformationen, um Lücken oder Widersprüche zu identifizieren. So stellen Sie sicher, dass neue Mitarbeitende nicht nur fachlich, sondern auch persönlich zu Ihrem Unternehmen passen – und minimieren das Risiko von Fehlentscheidungen.

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