Klingt perfekt. Vielleicht ein bisschen zu perfekt? Immer mehr Anschreiben wirken wie aus dem Lehrbuch- zumindest auf den ersten Blick. Denn in vielen Bewerbungen steckt heute nicht nur der Bewerber oder die Bewerberin, sondern auch eine KI, die Formulierungen perfektioniert. Doch gerade dabei schleichen sich Ungenauigkeiten oder gar Unwahrheiten ein. Wie Sie diese identifizieren und im Allgemeinen mit KI-Anschreiben im Recruiting umgehen können, zeigen wir in dieser Checkliste.
Inhalt
Warum Bewerber·innen KI nutzen und warum das nicht automatisch schlecht ist
Die Nutzung von KI-Tools wie ChatGPT beim Verfassen von Bewerbungsschreiben ist längst kein Einzelfall mehr. Eine Studie¹ aus 2024 zeigt: Immer mehr Bewerber·innen greifen auf digitale Unterstützung zurück. Sei es, um schneller ans Ziel zu kommen, sprachliche Unsicherheiten zu kompensieren oder schlicht den gelernten Standard zu erfüllen. Das bedeutet nicht automatisch, dass dahinter Täuschungsabsicht steckt. Im Gegenteil: Viele nutzen KI eher als Schablone, die sie anschließend anpassen – oder als Sparringspartner, um ihren Text zu verbessern. Besonders technik-affine Talente sehen KI längst als legitimes Tool im Bewerbungsprozess.
Was heißt das für Sie als Recruiter·in oder Führungskraft?
Es lohnt sich, zwischen „KI hat geschrieben“ und „KI wurde sinnvoll genutzt“ zu unterscheiden. Entscheidend bleibt, ob die Bewerbung authentisch wirkt, zur Position passt und ob die Person dahinter im Gespräch überzeugt.
Die Probleme von KI Bewerbungen
Das heißt aber nicht, dass der Einsatz von KI fürs Bewerbungsschreiben frei von Problemen oder über jeden Zweifel erhaben ist. Im Gegenteil. Die Nutzung von KI im Anschreiben bringt seine eigenen Nachteile mit sich:
Eine neue Bewerbungsflut
Die massenhafte Nutzung von KI führt bereits zu einer Flut an Bewerbungen, die von KI generiert und teilweise schlicht unpassend oder fehlerhaft sind. Die Leittragenden sind die Unternehmen, welche mit der Sichtung und dem Aussortieren laut der Studie von Canva überfordert sind¹.
Qualitätsprobleme
77 % der befragten deutschen Unternehmen gaben an, in den letzten sechs Monaten KI-generierte Bewerbungen mit falschen Angaben erhalten zu haben. 71 % der Recruiter gaben an, Sie erhielten nun mehr unqualifizierte Bewerbungen als zuvor. Der damit entstehende Mehraufwand ist offensichtlich. 92 % der befragten Unternehmen stufen dies als ernsthaftes Problem ein².
Fehlenden Transparenz
Was kann man noch glauben und was ist schlicht Unwahrheit? Die fehlende Transparenz und Vertrauenswürdigkeit von Angaben erschwert eine zuverlässige Einschätzung der Bewerbenden enorm. Und so überrascht es nicht, dass 81 % der befragten Personalverantwortlichen in Deutschland der Meinung sind, dass Bewerber·innen offenlegen sollten, in welchem Umfang sie KI verwendet haben².
KI im Anschreiben: Ist das überhaupt erlaubt?
KI für Bewerbungsanschreiben ist rechtlich erlaubt, sofern keine spezifischen Vorgaben (z.B. in Hochschulbewerbungen oder Ihren eigenen Unternehmensrichtlinien) dagegen sprechen und die Nutzung transparent, diskriminierungsfrei und datenschutzkonform erfolgt. Ihre Bewerber·innen müssen bei Der Nutzung auf die Einhaltung des Urheberrechts und Ehrlichkeit achten. Sie als Arbeitgeber müssen auf Transparenz, Mitbestimmung und Diskriminierungsschutz achten³.
Typische Merkmale: Daran erkennen Sie KI-generierte Anschreiben
Nicht jedes glatte Anschreiben stammt von einer Künstlichen Intelligenz. Aber gewisse Muster treten bei KI-Texten auffallend häufig auf. Wenn sie die folgenden erkennen, haben Sie Anlass zur Skepsis:
Makellose Grammatik
KI-Tools produzieren nahezu fehlerfreie Texte – orthografisch, grammatikalisch und stilistisch. Was in der Vergangenheit ein absolutes Qualitätsmerkmal war, sollte Sie heute mindestens stutzig machen: Fehlen stilistische Eigenheit, Authentizität (z.B durch lokale oder berufsspezifische Ausdrücke) oder kleinere Flüchtigkeitsfehler komplett, kann dies ein Hinweis sein, dass hier KI der Autor war. Aber Achtung: Auch gut geschulte Menschen schreiben fehlerfrei. Perfektion allein ist also kein Beweis, aber ein möglicher Hinweis.
Fehlende persönliche Anekdoten und Erfahrungen
KI-Anschreiben bleiben oft sehr vage: Statt lebendiger Beispiele aus der Praxis der Bewerbe·innen findet man allgemeine Aussagen zur eigenen Teamfähigkeit oder Motivation – ohne Bezug zu den tatsächlich umgesetzten Projekten, Rollen oder Herausforderungen die Bewerber·innen erlebt haben. Wenn Ihnen nicht klar wird, welchen persönlichen Impact die Bewerbenden hatten oder welche konkreten Erfahrungen Sie aus den bisherigen Stationen mitgenommen haben dürfen Sie Zweifel an der Autorenschaft des Anschreiben haben. Typische KI-Formulierungen klingen wie folgt:
- „Ich bin ein echter Teamplayer und schätze ein dynamisches Umfeld.“
- „Ich bringe eine hohe Motivation mit, um in Ihrem Unternehmen zu wachsen.“
- „Mit meiner Hands-on-Mentalität und meinem unternehmerischen Denken passe ich ideal zu Ihrem Unternehmen.“
Mit echtem Bezug (wenn auch überstilisiert) würde eine Formulierung zum Beispiel so klingen:
- „In meinem letzten Projekt bei (Firma X) haben wir teamübergreifenden zwischen (Team A und B) an der (Aufgabe Y) gearbeitet. Dabei konnten wir (Resultat Z) erreichen.“
Standard-Buzzwords ohne Tiefe
Begriffe wie zum Beispiel innovativ, lösungsorientiert, hands-on, agil, nachhaltig, engagiert, motiviert, dynamisch, effizient oder auch leidenschaftlich tauchen in KI-Schreiben inflationär auf – meist ohne greifbaren Kontext oder Erklärung, wie diese Eigenschaften konkret gelebt wurden. Dies zeigt sich dann in den gerade beschriebenen Formulierungen. Unsere Richtlinie: Je mehr Buzzwords, desto wahrscheinlicher war ein Prompt am Werk.
Übertrieben strukturierte Abschnitte
Auch wenn Anschreiben auch ohne KI einem klassischen Muster folgen (Einleitung-Hauptteil-Schluss), treiben KI-Anschreiben dieses Muster auf die Spitze. Phrasen wie “Deshalb bewerbe ich mich bei Ihnen“ oder „Abschließend möchte ich betonen…“ könnten erste Hinweise geben. Aber insbesondere wenn alles vorhersehbar und nichts überraschendes im Anschreiben dabei ist, sollten Sie Zweifel an der Authentizität haben.
4 Strategien zum Entlarven und Einordnern KI-generierter Inhalte
Wie überprüfen sie nun, ob es sich tatsächlich um ein KI-generiertes Anschreiben handelt und wie viel Substanz hinter der Bewerbung steht? Denn ein Verdacht allein reicht nicht aus. Wer KI-generierte Bewerbungsschreiben erkennen möchte, braucht einen strukturierten und zugleich fairen Ansatz. Die folgenden Strategien helfen Ihnen dabei, Hinweise gezielt aufzugreifen, im Gespräch zu überprüfen und eine fundierte Entscheidung zu treffen, die der Realität im digitalen Bewerbungsprozess gerecht wird.
1) Fragetechniken im Vorstellungsgespräch
Gezielte Interviewfragen sind nach wie vor der effektivste Weg, um zwischen tatsächlicher Kompetenz, Cultural Fit und generiertem Text zu unterscheiden. Hier geht es selbstverständlich nicht darum Ihre Bewerber·innen bloßzustellen, sondern darum, die·den geeigneteste·n Kandidatin·Kandidaten für Ihre Vakanz zu finden.
Micro-Storytelling anregen
Fordern Sie kleine, spezifische Erzählungen ein. Warum es wirkt? KI-Modelle liefern meist nur generische Projektbeschreibungen, keine lebendigen Situation mit Dialogen oder echten Emotionen. Eine dazu passende Frage die Sie stellen können:
- „Im Anschreiben sprechen Sie von der ‚X-Optimierung‘. Erzählen Sie mir doch bitte von einem ganz konkreten Moment, in dem Sie das Projekt erstmals vorgestellt haben – von Ihrer Begrüßung bis zur Reaktion des Teams.“
Spontane Paraphrasierungen
Bitten Sie die Ihre·n Bewerber·in, zentrale Aussagen aus dem Anschreiben mit eigenen Worten zusammenzufassen. Warum das wirkt? Ein authentischer Bewerber kann spontan formulieren und die dargelegten Punkte aufgreifen, wenn sie·er das Anschreiben selbst geschrieben hat. Eine dazu passende Frage die Sie stellen können:
- „Fassen Sie bitte in zwei Sätzen in Ihren eigenen Worten zusammen, warum Sie gerade unser Unternehmen gewählt haben.“
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Variationen desselben Themas
Stellen Sie eine leicht abgewandelte Frage zum gleichen Thema. Warum das wirkt? Echte Fachleute können flexibel denken und auch spontan unterschiedliche Lösungsansätze liefern. Zwei dazu passende Fragen die Sie stellen können:
- „Beschreiben Sie, wie Sie bei Budgetkürzung reagiert hätten.“
- „Angenommen, Sie hätten 20 % mehr Budget – was hätten Sie anders geplant?“
Tiefbohrende Detailnachfragen
Hier zeigt sich, ob Ihre Bewerbenden wirklich vom Fach oder doch eher mehr Schein als Sein sind und die KI als Einflüsterer im Ohr haben. Während KI mit “runden” Zahlen spekuliert und oft generische Tools vorschlägt, kennen echte Profis ihre Instrumente und KPIs im Schlaf. Passende Fragen die sie hier stellen können sind natürlich anhänglich vom Fachgebiet. Zwei Beispiele könnten wie folgt lauten:
- „Sie erwähnen 30 % Umsatzsteigerung. In welchem Zeitraum und mit welcher konkreten Maßnahme haben Sie das erreicht?“
- „Welches Tool haben Sie genau eingesetzt und wie sah Ihr Reporting aus?“
2) Psychologische Signale erkennen
Auch jenseits des offensichtlich Gesagten können Sie erkennen, wie Ihre Bewerber·innen auf Ihre Fragen reagieren. Schließlich findet ein signifikanter Teil unserer Kommunikation nonverbal statt. Sie müssen die Signale nur erkennen (wenn auch nicht immer überinterpretieren oder als klaren Beweis deuten):
Der „Körpersprache-Lookout“
Wenn Sie die folgenden Signale in der Körpersprache Ihrer Bewerbenden sehen, gilt es besonders Aufmerksam zu sein, welche Frage oder Thema Sie gerade besprechen. Denn bei Ihrem Gegenüber scheint es Unbehagen zu geben. Ob das an der vorherigen Hilfe der KI liegt?
| Körpersprache/ Signal | Mögliche Bedeutung |
| Plötzlicher Blickabbruch / Ausweichen | Vermeidung oder Unsicherheit bei konkreten Nachfragen |
| Vermehrtes Blinzeln oder Augenreiben | Anzeichen für Stress oder mentale Überforderung |
| Verkrampfte Haltung (z. B. Schulter hochgezogen, Hände auf dem Schoß versteckt) | Innere Anspannung, z. B. weil eigene Aussagen nicht sicher gefühlt werden |
| Händeflattern, nervöses Spielen mit Gegenständen | Zeichen von Unruhe, vor allem wenn nur in bestimmten Interviewphasen sichtbar |
| Übertriebenes Lächeln oder Lachen an unpassender Stelle | Versuch, Unsicherheit zu überspielen |
| Langes Zögern vor der Antwort, gefolgt von sehr formelhaften Sätzen | Hinweis, dass die Person innerlich „nach dem Text sucht“ |
| Synchronitätsbruch zwischen Mimik und Inhalt | Beispiel: Begeisterung wird betont, aber Gesicht wirkt starr oder leer |
Verbale Metakommentare
Metakommentare, also Bemerkungen über das eigene Sprechen oder Schreiben verraten mehr über den Ursprung eines Bewerbungsschreibens als vielleicht zunächst ersichtlich. Diese Formulierungen können auf eine verdeckte Unsicherheit oder den Versuch hindeuten, fehlende Eigenleistung zu kaschieren. Psychologisch handelt es sich dabei oft um eine Überkompensation: Die Person spürt unbewusst, dass ihr Text zu perfekt, zu glatt oder nicht ganz „ihr eigener“ ist – und versucht, dem verbal vorzugreifen. Das kann wie folgt klingen:
- „Um ehrlich zu sein …“
- „Ganz offen gesagt …“
- „Ich hab mir beim Schreiben ein bisschen helfen lassen.“
- „Ich hab’s nochmal mit einem Tool geglättet.“
3) Lassen Sie sich technisch unterstützen
Nicht nur kann Technologie dabei helfen ein Bewerbungsanschreiben aufzupolieren, es kann auch dabei unterstützen unauthentische Anschreiben zu identifizieren. Hie gibt es zwei Kategorien an Anwendungen, die wir empfehlen:
KI-Detection-Tools
Spezialisierte Tools wie GPTZero, ZeroGPT oder Sapling können die Anschreiben Ihrer Bewerber·inner auf KI-Ursprung hin analysieren. Sie liefern Ihnen zwar keinen wasserdichten Beweise, aber indem diese Tolls über statistische Wahrscheinlichkeiten arbeiten, Anhaltspunkte. Unser Tipp: Nutzen Sie solche Tools immer mit Augenmaß und wie auch bereits oben erwähnt, immer im Zusammenspiel mit dem persönlichen Gespräch.
Plagiats-Checks
Manche KI-Generatoren greifen auf öffentlich zugängliche Texte zurück ohne darauf hinzuweisen. Damit laufen Bewerber·innen Gefahr, (ungewollt bzw. unwissend) andere Quellen zu plagiieren. Plagiats-Tools wie Scribbr oder PlagAware erkennen solche Übereinstimmungen.
4) Strukturiert Dokumentieren und Validieren
Um umauthentische KI-Inputs zu erkennen, brauchen Sie mehr als nur ein Bauchgefühl. Sie brauchen braucht eine klar strukturierte Entscheidungsgrundlage, die auch über mehrere Bewerber·innen ein vergleichbares Urteil erlaub. Diese Maßnahmen unterstützen Sie dabei:
Interview-Scorecard erweitern
Fügen Sie in Ihrer Interview-Scorecard eine Spalte „Verdacht auf unlautere KI-Nutzung“ oder „Kohärenz zwischen Anschreiben und Gespräch“ hinzu und dokumentieren Sie dort jedes auffällige Detail. Wie eine Interview-Scorecard aussehen kann, erfahren Sie hier.
Mehrere Interviewer·innen einbeziehen
Vier Ohren hören in der Regel mehr als zwei: Gerade bei subtilen Signalen lohnt sich die kollegiale Rückversicherung. Die Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen Ihnen und Ihrem·Ihrer Interviewpartner·Interviewpartnerin können wertvolle Hinweise liefern
Live-Probeaufgabe
Bitten Sie Ihre Kandidat·innen, eine kurze Textpassage spontan während des Interviews zu schreiben, ein Thema in eigenen Worten zusammenzufassen ode eine kleine Case-Study zu bearbeiten. Zum Beispiel: „Formulieren Sie eine kurze Antwort auf eine Kundenanfrage“ oder „Wie würden Sie spontan bei Problemstellung XY vorgehen“. Wer Stil oder versprochene Kompetenzen aus dem Anschreiben nicht reproduzieren kann, hat vermutlich nachgeholfen.
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Fazit: Wie Sie als Unternehmen mit KI-generierten Inhalten umgehen können
Die Nutzung von KI beim Verfassen von Bewerbungsschreiben ist keine Ausnahme mehr, sondern zunehmend Normalität. Für Recruiter·innen und Führungskräfte bedeutet das: Es reicht nicht, KI-generierte Inhalte zu erkennen. Sie müssen diese auch einordnen können. Perfekt formulierte Anschreiben kontern Sie nicht mit Lob, sondern mit Nachfragen nach konkreten Momenten, Zahlen und Maßnahmen. Dafür gibt unsere Checkliste einen roten Faden.
Was Sie außerdem mitnehmen sollten? Ein perfektes Anschreiben allein ist heute kein Qualitätsmerkmal mehr. Noch entscheidender ist, ob die von Ihren Bewerber·innen im Anschreiben dargestellte Person auch im Gespräch Bestand hat und durch Authentizität und fachliche Kompetenz gestützt wird. Wie Sie das überprüfen, hat diese Checkliste aufgezeigt.
1 Quelle: Remote Recruiting Report, 2 Quelle: Canva “New Year, New Job”, 3 Die auf recruiting.xing.com veröffentlichten Inhalte – auch jene, die rechtliche Themen behandeln – erfüllen lediglich einen unverbindlichen Informationszweck und können keine individuelle und verbindliche Rechtsberatung ersetzen. Wir möchten Sie bestmöglich zu den wichtigsten Themen rund um Recruiting und HR informieren, übernehmen jedoch keine Gewähr hinsichtlich Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit.